In meinem nächsten Leben werde ich Weinverkostungsveranstalter. Im Moment kommen fast täglich per Mail oder Brief Aufforderungen, an den verschiedensten Weinwettbewerben teilzunehmen. Sei es awc vienna, die Zeitschrift Selection, die Berliner Weintrophy, Best of Bio, Gault Millau, DLG, Feinschmecker EcoWinner, Cervim Steillagenweinverkostung, Int. Bioweinpreis, Mundus Vini und viele mehr. Ich hätte ja keine Probleme, Weine zu all diesen Verkostungen zu schicken, aber die Gebühren sind teilweise recht massiv. Bei den großen Weinführern Gault Millau, Eichelmann und Feinschmecker noch ohne zusätzliche Kosten – ECOVIN will mal gerade bescheidene 20 € Auwandsentschädigung pro Probe – jedoch dann geht es richtig zur Sache. Ab 70 € bis über 100 € pro angestelltem Wein verlangen die Veranstalter für Ihre Mühen. Es scheint sich richtig zu lohnen, denn diese Wettbewerbe haben sich in den letzten Jahren massiv vermehrt. Damit wird richtig Geld verdient Geld gedruckt.
Die Aussagekraft der dabei vergebenen Medailien ist teilweise sehr fraglich. Vorlieben einzelner Verkoster, die Rahmenbedingungen der Verkostung, das persönliche wohl- oder unwohlbefinden der Verkoster und vieles mehr beeinflussen stark die Ergebnisse. Es ist sehr einfach zu sagen das der Wein im Glase sehr gut ist, aber die objektive Einstufung in ein starres Punktesystem würde ich als sehr fraglich sehen, von einer Wiederholbarkeit solcher Punktevergabe ganz abgesehen. Zudem sind die Werbeeffekte vieler solcher Wettbewerbe unbedeutend und das Portomonai des Winzers wird auf jeden Fall um einiges erleichtert.
Wein-Inside.de, ein B2B-Online-Magazin widmete dem Medailienregen einen Artikel, welchen ich auszugweise zitiere:
”Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wein in einem Wettbewerb mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wird, kann statistisch gesehen nur mit Zufall erklärt werden.“
Zu diesem Ergebnis (neben anderen) kommt Robert T. Hodgson, emeritierter Professor für Statistik und Ozeanographie der Humboldt State University, in seiner jetzt im “Journal of Wine Economics” veröffentlichten Studie “An Analysis of the Concordance Among 13 U.S. Wine Competitions”.
Mit seinem mathematischem Hintergrund sei er jemand, der viel hinterfrage, teilt er uns mit, und nachdem seine eigenen Weine in dem einen Wettbewerb als „Best of“ ausgezeichnet wurden, in anderen aber überhaupt keine Auszeichnung erhielten, sei es für ihn naheliegend gewesen, dieser Frage nachzugehen.
Hierzu untersuchte Hodgson die Resultate von 13 US-amerikanischen Weinwettbewerben des Jahres 2003, zu denen mehr als 4.000 Weine eingereicht worden waren. Darunter 2.440 Weine, die in mehr als 3 Wettbewerben eingereicht wurden.
Im Ergebnis stellt Hodgson fest, dass zwar 47 Prozent der Weine mit einer Goldmedaille in einem der Wettbewerbe ausgezeichnet wurden, 84 Prozent dieser Weine in anderen Wettbewerben allerdings ohne Auszeichnung blieben. Der gleiche Wein, dem in einem Wetteweb eine außergewöhnliche Qualität bescheinigt wurde, wurde in anderen als unterdurchschnittlich bewertet.
Robert Hodgsons Fazit
1) Zwischen den 13 untersuchten Weinwettbewerben gibt es hinsichtlich der Weinqualität so gut wie keinen Zusammenhang.
2) Ein Wein, der in dem einen Wettbewerb mit Gold ausgezeichnet wird, erhält in einem anderen höchstwahrscheinlich keine Auszeichnung.
3) Die Wahrscheinlichkeit, eine Goldmedaille zu erhalten, kann statistisch gesehen nur mit Zufall erklärt werden.
In einer früheren, 2008 veröffentlichten Untersuchung ( „An Examination of Judge Reliability at a major U.S. Wine Competition“) ging er der Frage nach, ob die an Weinwettbewerben beteiligten Juroren den gleichen Wein auch in einer zweiten Verkostung gleich bewerten. In den Jahren 2005 bis 2008 beteiligten sich jährlich zwischen 65 und 70 Juroren an diesem Experiment. Ergebnis: Lediglich etwa 10 Prozent der Juroren waren in der Lage, den gleichen Wein in unterschiedlichen Verkostungen der gleichen Medaillengruppe zuzuordnen.
Da es aber dem eigenen Ego sehr gut tut, nehme ich trotzdem an einigen Weinwettbewerben teil und es schmeichelt, wenn mal wieder eine Urkunde oder eine lobende Erwähnung in Haus flattert, wie obige Silber Medaille von der internationalen Rieslingverkostung Riesling du Monde in Frankreich, die die letzten Tage kam.
what a great post! Das ist eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Diskussion in den USA. Wir haben ein paar andere relevante papers im „Journal of Wine Economics“ veroeffentlicht. Zum Beispiel, bekommen Weingueter, die im „Wine Spectator“ werben, bessere Bewertungen als solche, die nicht im „Wine Spectator“ werben? Die Antwort: ja, ungefaehr ein Punkt mehr
http://wine-economics.org/journal/content/Volume4/number2/index.shtml
Immerhin, weder Robert Parker, noch der deutsche Gault Millau akzeptieren Werbeanzeigen von Weinproduzenten.
Und hier ist das Beste: Der Wine Spectator (WS) vergibt alljaehrlich „Awards of Excellence“ an Restaurants, die sich mit ausserordentlich guten Weinkarten. Klar, man muss sich bewerben und $250 zahlen. Jedes Jahr bewerben sich weltweit ca. 5000 Restaurants (macht $1.25 million) und ca. 3000 erhalten die begehrte Plakette.—- Robert Goldstein aus New York hat das folgende Experiment gestartet. Er hat eine website eines fiktiven Restaurants in Milano geposted. Schoenes Essen. Auf der Reserve Weinkarte nur Weine, die schlechte Bewertungen bekommen haben. Wie gesagt, alles fiktiv. Dann hat er sich um den Wine Spectator Preis beworben, $250 eingezahlt — und die Auszeichnung bekommen. Wine Spectator hat sich nicht einmal die Muehe gemacht, nachzuforschen, ob das Restaurant ueberhaupt existiert. So schnell kann man $1.25 Millionen verdienen.
Dan wurden alle Gewinner eingeladen, im Wine Spectator zu werben. Goldstein hat den Anruf auf seinem Anrufbeantworter festgehalten. Wenn man die Preise mit den gedruckten Werbeanzeigen im WS multipliziert ergeben sich nochmal $1 Millionen. Die gesamte story mitsamt dem MP3 file des Anrufs ist auf unserem Blog zu finden.
http://wine-econ.org/2008/08/21/wine-spectator-award-of-excellence.aspx
WS Antwort:
http://wine-econ.org/2008/09/10/wine-spectators-second-response-to-robin-goldstein.aspx
Goldsteins Antwort (mit MP3 file):
http://wine-econ.org/2008/09/08/truth.aspx
Cheers, Karl Storchmann
Managing Editor, Journal of Wine Economics